Literaturcafé mit humorvollem Lesetagebuch bereichert

13 Literaturbegeisterte stellten in der Stadt- und Schulbücherei Neuerscheinungen vor

Begeisterte Leser, die verschiedene Werke vorstellten

Mit ihrer charmanten Kritik am aktuellen Kriminalroman aus der Feder von Isabell Allende  hatte Kerstin Zels die Sympathien der Zuhörer beim Literaturcafé in der Stadt- und Schulbücherei auf ihrer Seite.  

Wie sehr „Amandas Suche“ ihre Geduld strapaziert hatte, hatte Kerstin Zels in einem humorvollen Lesetagebuch dokumentiert. Tenor: „Seite 254 – Amanda sucht immer noch nicht“. Gerade  mal auf 50 Seiten mit echter Krimi-Handlung bringt es die in den USA lebende chilenische Bestseller-Autorin laut der Einschätzung ihrer kritischen Leserin.  

Ansonsten gab es aus den Neuerscheinungen des Bücherherbstes von den 13 Testleserinnen und Testlesern aber viel Lob und auch den ein oder anderen Geheimtipp. Unter diese Rubrik fällt auch der finnische Autor Tuomas Kyrö. Eine skurril-bissige Mischung aus Krimi und Komödie – so lobte   Krysty Husz. 130 neue Romane des Buchmessen-Gastlandes Finnland stehen in diesem Bücherherbst auf der Liste der Neuerscheinungen. Normalerweise sind es nur 30 bis 40 – so informierte die Moderatorin des Literaturcafés Carolin Bayer.  

Auch Ulrike Zatschker hatte mit der Medienfigur Sofi Oksanen eine finnische Autorin ausgesucht, findet aber deren öffentliche Auftritt weit spektakulärer als ihre Literatur. Und noch einmal hatte Ulrike Zatschker Finnland auf dem Programm: Zur Pause servierte sie leckere finnische Plätzchen.  

Die Büchereileiterin hatte sich selbst bei ihren Buchtipps für den Schauplatz Paris und die nicht ganz unkomplizierte Liebesgeschichte zwischen dem Kinderbuchautor Max und der Illustratorin Rosalie entschieden. „Paris ist immer eine gute Idee“ ist der Romantitel und Nicolas Barreau wird als Autor genannt. Doch der junge Franzosen mit der romantischen Schreibe ist eine Erfindung des Verlags, hinter der die deutsche Lektorin  Daniela Thile steht. Den Lesern gegenüber nicht ganz fair, findet Carolin Bayer.

Jürgen Winter hat Jean-Philippe Blondels  Roman „6 Uhr 41“ ausgewählt, der eine gescheiterte Jugendliebe aus der Rückschau beschreibt. Die graue Maus wird eine erfolgreiche Geschäftsfrau, der Schwarm aller Schulmädchen landet nach einem abgebrochenen Studium als Verkäufer in einem Elektro-Fachgeschäft. In jungen Jahren hatten die beiden eine kurze Liebesbeziehung, Jahrzehnte später treffen sie sich zufällig in einem Pariser Vorortzug.  

Ein schöner Historienschmöker aus der Tudor-Zeit  ist „Das Spiel der Königin“ von Elizabeth Fremantle. Gisela Szonns Sympathien galten der Hauptfigur des Romans Katherine Parr, der sechsten Ehefrau Heinrichs des VIII. Von der Eheschließung an lebt sie in der Gefahr, dasselbe Schicksal wie ihre Vorgängerinnen zu erleiden und womöglich auf dem Schafott zu enden.  

Broachurch ist ein kleiner Ort in England, in dem es offenbar vor tatverdächtigen nur so wimmelt. Birgit Franz empfahl den spannenden Krimi „Broadchurch – Der Mörder unter uns“, den Chris Cibnall und Erin Kelly nach dem durchschlagenden Erfolg der gleichnamigen Fernsehserie in Buchform veröffentlicht haben.  

Als Zehnjähriger kam Matthias Nawrat nach Deutschland, nun hat er mit dem Roman einer Familie „Unternehmer“ seine besondere Sprachbegabung bewiesen. Zena Wiehn stellte das schmale, aber sprachgewaltige Bändchen vor, in dem eine vierköpfige Familie sich ihre eigene Unternehmensphilosophie zurechtlegt. Wie funktioniert dieses scheinbar von sozialen Kontakten losgelöste System Familie, in der der Vater mit den Kindern verlassene Industrieanlagen nach verwertbaren Stoffen durchforstet, die er für „Klimpergeld“ verkaufen kann? 

Einen überaus lesenswerten Eheroman, insbesondere für lang verheiratete Paare empfahl Hartmut Röhl: „Die Chance“ von Stewart O’Nan beschreibt, wie das von der Finanzkrise in die Ehekrise gestürzte Paar Marion und Art agiert. Hinter der „Chance“ verbirgt sich vordergründig die vermeintliche Aussicht auf einen Casino-Gewinn, mit dem Art sich sanieren will. Doch dies ist nur ein Spannungselement, anhand dessen die Situation einer Ehe kurz vor dem Aus beschrieben wird.

Dystopien sind gerade im Trend.  

Bernd Guthmann hat sich für Margret Atwoods düstere Madd-Adams-Trilogie begeistert, in dem eine Gesellschaft am Abgrund beschrieben wird. Die erfolgreiche Oberschicht setzt sich aus Wissenschaftlern zusammen, die sich eine heile Welt zusammengezimmert haben und sich von der Außenwelt und der Unterschicht abschottet, die sich dort mit einer gnadenlos zerstörten Umwelt auseinandersetzen muss.  Der dritte Band ist jetzt neu unter dem Titel „Die Geschichte von Zeb“ erschienen.  

In die Welt der Superreichen entführt einen das von Jürgen Huber favorisierte Sachbuch „Geschlossene Gesellschaft“ von Dennis Gastmann. Der als „Peter-Scholl-Latour der Generation Twitter“ bezeichnete Autor hat sich im Jet-Set umgesehen und nicht nur mit Dollarscheinen um sich schmeißende reiche Menschen besucht und porträtiert.  

Eintauchen in eine komplizierte Liebesgeschichte, sich verirren in der erschreckenden Geschichte der heutigen Ukraine  - das kann man in Oksana Sabuschenkos großem Roman „Museum der vergessenen Geheimnisse“. Ein opulentes und sehr wichtiges Werk für die neue ukrainische Literatur befand Babett Guthmann, die an ihre Empfehlung anfügte: „Zum Lesen am besten zwei Wochen Urlaub nehmen, dann können Sie die heutigen Verhältnisse in der Ukraine besser verstehen.“ Ein Verzeichnis mit allen Lesetipps für den Bücherherbst liegt in der Bücherei aus.

 

 

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