Am besten seine Wünsche immer bei sich tragen

In Salim Alafenischs Geschichten findet sich Grenzen und Kulturen übergreifendes Menschheitswissen

Buchhändler Thomas Fischer, Salim Alafenisch und Büchereileiterin Carolin Beyer

Klug und hartnäckig sind seine märchenhaften Helden und seine Erzählfreude zaubert den Zuhörern ein Lächeln auf die Lippen: Der Geschichtenerzähler und Autor Salim Alafenisch entführte sein Publikum in die Nacht der Wünsche. Eingeladen hatten den Meister der orientalischen Erzählkunst die Buchhandlung Fischer und die Bücherei gemeinsam, um mit ihm einen der  Höhepunkte des Gunzenhäuser Märchenfestes zu feiern. Büchereileiterin Carolin Bayer eröffnete den Abend, der der Kunst des Geschichtenerzählens gewidmet war .

Im Fastenmonat Ramadan gibt es eine besondere Nacht, wer in dieser Nacht alles verkehrt herum sieht, dem wird Allah drei Wünsche erfüllen. Doch man muss sich schnell entscheiden, mahnt der Erzähler  Alafenisch und rät: „Am besten seine Wünsche immer bei sich tragen!“ Solche Aussagen bergen die Weisheit des weltweiten Märchenschatzes, enthalten  grenzübergreifendes Menschheitswissen oder können auch als Ratschläge für ein gesundes psychisches Gleichgewicht verstanden werden.

Der Erfinder und Erzähler solcher Geschichten Salim Alafenisch, ist der Sohn eines Beduinenscheichs aus der Negev-Wüste. Er studierte in Heidelberg  und London Soziologie, Ethnologie und Psychologie. Seit 41 Jahren lebt er  in Deutschland.  Im Zelt seines Vaters und am Lagerfeuer der Beduinen hat ihn als Kind die morgenländische Erzählkunst  geprägt, die er als Autor und Erzähler mit dem heutigen  Leben der nun sesshaft gewordenen Beduinen und sogar mit der europäischen Erfahrungswelt zu vereinen versteht.

So erzählt er in der Stadt- und Schulbücherei eine Legende aus dem Luzerner Hinterland. Wer Zahnweh hatte, wurde von Alters her einen Weg hinaufgeschickt, an dessen Ende ein Baum stand. In diesen sollte der Kranke hineinbeißen und schon wäre das Zahnweh verschwunden. Generationen nahmen bei Zahnschmerzen diesen Weg und bissen in den Baum. Als der Baum einging, stellte man an seiner Stelle ein Kreuz auf. Auch ins Kreuz wurde wundergläubig gebissen, sodass dies bald nicht mehr schön aussah. Das Kreuz wurde erneuert und ein Schild aufgehängt: „Es ist verboten in dieses Kreuz zu beißen!“

„Der Beduine raubt, aber er zahlt seine Schulden“, berichtet Salim Alafenisch und hat eine Geschichte von drei Dieben im Brautzelt parat. „Eine Geschichte, länger als ein Kamelhals“, in der die soziale Ader der Beduinen-Diebe deutlich wird: Wer Mehl stiehlt, lässt eine Notration für das Frühstück der Kinder der Bestohlenen zurück, die Beute wird zuhause redlich unter allen aufgeteilt.

Als einen Mittler zwischen Orient und Okzident sieht sich Salim Alafenisch und er beschreibt, worin er seine gestellte Aufgabe sieht: „Ich möchte die Kulturen verbinden und zusammenbringen!“ Die Erzählerin der Märchen aus 1001 Nacht, Scheherazade übte auch auf den modernen Märchenerzähler Alafenisch eine große Faszination aus. Nur die Tatsache, dass sie sich am Ende dem grausamen Herrscher doch zu Füßen wirft und ihr Schicksal in dessen Hände legte, nachdem sie ihn doch so lange mit ihren Märchen in ihrer Macht gehabt hatte – das versteht Alafenisch nicht. Deshalb hat er mit der Märchenheldin Zahra eine wirklich starke Frau geschaffen.

Als leider ewig aktuelle politische Fabel lässt sich die Geschichte „Das Kamel mit dem Nasenring“ verstehen. Hier verarbeitet  Alafenisch die Erfahrungen eines Wüstenvolkes, dessen Stammesgebiet von drei Grenzen umschlossen ist. Den Kamelen, Eseln und Ziegen soll beigebracht werden, Grenzen zu respektieren. Ein letztlich lächerliches Unterfangen, denn die israelisch-jordanische Grenze interpretiert ein Kamel, das zu den saftigen Artischockenherzen gelangen möchte, hartnäckig als eine lächerliche Reihe weiß bemalter Steine. 

Die Frage eines Zuhörers, wie Alafenisch den israelisch-palästinensischen Konflikt sehe, hebt er ein wenig ratlos die Hände: Nur, wenn die Konfliktparteien  erkennen würden, dass sie, solange diese Auseinandersetzungen anhalten, alle als Verlierer dastehen, könne es ein Hinarbeiten auf eine Lösung geben.

Um Aufeinandertreffen von traditionellem Nomadenleben und moderner Technik geht es in der kleinen Episode vom ersten Radio, das im Zelt seines Vaters aufgestellt worden war. „Sobald das Radio eintraf, verabschiedete sich die Ruhe“, berichtet der Erzähler. Von früh bis spät kamen neugierige Besucher, um dem neuen Wunderding zu lauschen. Spät in der Nacht musste dann sein Vater, der Scheich, alle hinauskomplimentieren: „Das Radio will schlafen gehen.“

Für einige Zuhörer war Salim Alafenisch übrigens kein Unbekannter: Vor 25 Jahren war er schon einmal im Café Baumgärtner  zu Gast – so erinnerte Carolin Bayer. Buchhändler Thomas Fischer dankte dem Erzähler Alafenisch und lobte seine Kunst: „Es duftet nach gewürztem Kaffeeund frischem Fladenbrot. Man würde sich nicht wundern, wenn draußen drei Kamele angepflockt wären.“

 

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