90 Jahre danach – Gedenken zum „Blutigen Palmsonntag“
Tagsüber wurde in der Stadt Konfirmation gefeiert, abends zog ein hasserfüllter Mob durch die Straßen. Am Palmsonntag, 25. März 1934, war Gunzenhausen fest in den Händen der Nationalsozialisten. Schon vorher war die Stimmung auf den Gehsteigen explosiv und jüdische Bürgerinnen und Bürger wurden psychisch und physisch immer wieder terrorisiert. Dann die Eruption: Vom ideologischen Rassenwahn aufgestachelt fand die braune Gunzenhäuser Hand an diesem Tag zwei Opfer. Max Rosenau und Jakob Rosenfelder – angesehene Mitglieder der jüdischen Kultusgemeinde, die an diesem „Blutigen Palmsonntag“ einen grausamen Tod starben. Mögen auch noch so viele Generationen vorübergehen, Gunzenhausen wird sich mit diesem schrecklichen Ereignis auf ewig konfrontiert sehen. Umso wichtiger ist es, dass sich die Kommune ihrer Verantwortung aktiv stellt und an dieses Pogrom, als eines der ersten in Deutschland, erinnert. 2024 jährt sich die Tat zum 90sten Mal – gemeinsam mit der deutsch-jüdischen Dialoggruppe wird die Stadt im Rahmen einer zweigeteilten Gedenkveranstaltung am Sonntag, 24. März 2024, an diese unrühmliche Vergangenheit erinnern.
Um 17 Uhr wird zu einem gemeinsamen Gedenk-Gang eingeladen, dessen Weg vorbei an Gebäuden der damaligen Geschehnisse führen wird. Blicken wir zurück: 1934 hatte der 21-jährige SA-Obersturmbannführer Kurt Bär vor dem jüdischen Gasthaus Strauß in der Nürnberger Straße ein Pogrom angezettelt. Der NS-Mob arbeitete sich von dort ausgehend systematisch durch die Kernstadt, es folgten Gewalt und Misshandlungen, viele jüdische Bürgerinnen und Bürger landeten am Ende der Hetzjagd im Amtsgerichtsgefängnis.
Am 24. März 2024 wird mit der aus den USA angereisten Rachel Tamari (Teitelbaum) eine Nachfahrin einer ehemals hier lebenden jüdischen Familie am Gedenken teilnehmen. Der Weg beginnt um 17 Uhr in der Nürnberger Straße 4 (Gasthof Zur Linde/Arnold). Von dort führt die Strecke bis vor das Lutherhaus in der Hensoltstraße 27A, in dem der zweite Teil der Veranstaltung stattfinden wird. Zum Gedenk-Gang können gerne Kerzen mitgebracht werden, an den Tatorten werden Aufsteller mit Informationen zu sehen sein.
Das Gedenken im Lutherhaus beginnt um 18.30 Uhr. Nach der Begrüßung durch den Ersten Bürgermeister Karl-Heinz Fitz werden Werner Hirte und Rachel Tamari zu den Besucherinnen und Besuchern sprechen. Als Teil der jüdisch-deutschen Dialoggruppe werden sie über neue Wege bei der Vergangenheitsbewältigung, gegenseitigen Respekt, die mühsame Aufarbeitung und Chancen der Annäherung berichten. Nach einem musikalischen Beitrag wird im Anschluss Stadtarchivar Werner Mühlhäußer gegen das Vergessen ansprechen und die schändlichen Ereignisse des Blutigen Palmsonntags in Erinnerung rufen. Die Veranstaltung beschließen, wird der Auschwitz-Überlebende Nathan Großmann, der trotz seiner 96 Jahre nach Gunzenhausen kommen wird, um an diesem schicksalshaften Tag über seine Erlebnisse zu sprechen.
Wir laden alle Bürgerinnen und Bürger zur zweigeteilten Veranstaltung sehr herzlich ein. Wer nicht persönlich teilnehmen kann, für den besteht die Möglichkeit dem Gedenken online beizuwohnen. Dem Gedenk-Gang können Sie unter https://youtube.com/live/iNY62JNIzoY folgen, der Veranstaltung im Lutherhaus unter https://youtube.com/live/_9brgIU383E.
Nähere Informationen zur ehemaligen jüdischen Kultusgemeinde erhalten Sie unter jl-gunzenhausen.de.
Bereits am Freitag, 22. März 2024 (19.30 Uhr), und am Samstag, 23. März 2024 (17.30 Uhr), wird im Gunzenhäuser Kino Movieworld der Dokumentarfilm „Das Zelig“ von Tanja Cummings gezeigt. Der ab 12 Jahre freigegebene Film begleitet Holocaust-Überlebende ins Café Zelig in München. Die Regisseurin ist selbst vor Ort und lädt zur anschließenden Diskussion ein. Die Filmvorführung wird von der Stadt Gunzenhausen finanziell unterstützt. Weitere Informationen finden Sie unter daszelig-film.de.